Wer die Verfassung nicht versteht, gehört nicht in den Bundestag!

Parlamentarier wegen „groben Fouls am demokratischen Rechtsstaat“ verwarnt

 

140 amtierende Bundestagsabgeordnete haben 2015 für den verfassungswidrigen § 217 StGB gestimmt, der von 2015 bis 2020 professionelle Freitodbegleitungen in Deutschland untersagte. Mit Blick auf die anstehende Neuregelung der Suizidassistenz wurde den betroffenen MdBs nun eine „gelbe Karte“ zugestellt, um sie an ihr damaliges Foul am demokratischen Rechtsstaat zu erinnern und sie davor zu bewahren, den gleichen Fehler noch einmal zu begehen.

Die Presse-Erklärung als PDF

Auslöser der Aktion ist die aktuelle Debatte zur Neuregelung der Suizidhilfe im Deutschen Bundestag. Die dort verhandelten Gesetzentwürfe sind aus Sicht des Bündnisses für Selbstbestimmung am Lebensende, das für die Aktion verantwortlich zeichnet, nicht geeignet, die Selbstbestimmung des Einzelnen am Lebensende zu garantieren. Am schärfsten fällt das Urteil des Bündnisses über den Gesetzentwurf von Lars Castellucci und anderen aus, der darauf abzielt, § 217 StGB wieder einzuführen – mit nahezu demselben Wortlaut, den das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 mit 8 zu 0 Stimmen für nichtig erklärt hat.

In dem Anschreiben an die 140 mit einer gelben Karte verwarnten Bundestagsabgeordneten heißt es dazu: „Sie haben 2015 für den verfassungswidrigen § 217 StGB gestimmt und möglicherweise erwägen Sie nun abermals, das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende in gravierender Weise einzuschränken. Deshalb erinnern wir Sie mit der beigefügten gelben Karte daran, dass Sie 2015 ein grobes Foul am demokratischen Rechtsstaat begangen haben, für das Sie am 26. Februar 2020 vom Bundesverfassungsgericht eindringlich verwarnt wurden. Einmal kann ein solches Malheur passieren. Wer aber zweimal den gleichen Fehler begeht, legt eine Form von Ignoranz gegenüber Grundrechten und Justiz an den Tag, die mit den Spielregeln einer Demokratie schwerlich in Einklang zu bringen ist!“

Die Gefahr einer roten Karte

Dabei unterstellen die Verfasser des Briefs den Abgeordneten keineswegs böse Absichten: „Sie wollen sicherlich nur ‚das Beste‘ für die Bürgerinnen und Bürger. Aber genau dies ist ja der Clou unserer Verfassung: Nicht Sie beschließen, was ‚das Beste‘ für die Menschen ist, diese Entscheidung trifft jedes Individuum für sich selbst! Denn die Würde des Einzelnen ist dadurch bestimmt, dass der Einzelne über seine Würde bestimmt – nicht der Staat oder die Kirche. Treffen Sie also bitte keine Entscheidung über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg! Sprechen Sie mit Menschen, die von schwerwiegenden Krankheiten betroffen sind! Unterhalten Sie sich mit Personen und Organisationen, die schon seit Jahren schwerstleidenden Menschen zur Seite stehen! Und machen Sie sich bitte bewusst, dass die Selbstbestimmung über das eigene Lebensende nicht nur von unserer Verfassung geboten ist, sondern auch von der überwältigenden Mehrheit der Menschen in diesem Land eingefordert wird!“ Der Brief endet mit einer eindringlichen Bitte: „Krönen Sie Ihre politische Karriere nicht damit, dass Sie gleich zweimal für ein verfassungswidriges Gesetz gestimmt haben! Denn ansonsten könnten Sie von den Wählerinnen und Wählern schnell mit einer roten Karte abgestraft werden – wie es unser Model, die neunzigjährige Dolly Hüther, auf unserem Kampagnenplakat vormacht. Nehmen Sie sich Dollys Mahnung deshalb zu Herzen: Wer die Verfassung nicht versteht, gehört nicht in den Bundestag!“

Kampagne veröffentlicht die Namen aller gelb verwarnten Abgeordneten

Begleitend zu dem Brief hat die Kampagne unter dem Motto „Mein Ende gehört mir – Für das Recht auf Letzte Hilfe“ auf ihrer Website www.letzte-hilfe.de die Namen aller 140 Bundestagsabgeordneten veröffentlicht, die 2015 für den verfassungswidrigen § 217 StGB gestimmt haben und somit mit einer gelben Karte verwarnt sind. Bürgerinnen und Bürger haben so die Möglichkeit, sich direkt an die entsprechenden Personen zu wenden. Die aktuelle Aktion wird getragen von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e. V.,  der Giordano-Bruno-Stiftung,  Dignitas Deutschland und Verein Sterbehilfe. Im Februar des vergangenen Jahres haben die vier Organisationen bereits ihren „Berliner Appell für humane Suizidhilfe“ im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt, was 2022 für große Medienresonanz sorgte.

Presse-Fototermin: Am Dienstag, dem 28.02.2023 gibt es um 11 Uhr in der Paul-Löbe-Allee die Möglichkeit, unser Fotomodell, Dolly Hübner, zu treffen und die Kampagnen-LKWs mit unserem Motiv vor dem Reichstag zu fotografieren.

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