(dgpd Augsburg) Mit aktiver direkter Sterbehilfe hat das neue Gesetz in Frankreich nichts zu tun. Dafür umso mehr mit der Erkenntnis, dass jeder Mensch existenzielle Entscheidungen für sein eigenes Leben treffen kann und darf. Das mit überwältigender Mehrheit verabschiedete Gesetz regelt die passive Sterbehilfe. Die medizinische Behandlung solle nicht "in unvernünftiger Weise fortgesetzt werden" müssen, heißt es in der Vorlage des Nachbarlands, die Patienten das Recht zuerkennt, Behandlungen "abzulehnen oder zu beschränken".
Damit wird im Nachbarland gesetzlich festgeschrieben und bekräftigt, was in Deutschland bislang Grundrecht, in der Praxis aber Grauzonenbereich ist: Jeder medizinische Eingriff bedarf der Genehmigung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters und fällt in den Bereich der Privatsphäre - selbst dann, wenn der Verzicht auf einen Eingriff das Leben des Betroffenen gefährden sollte.
Schätzungen zufolge sterben in Frankreich jährlich etwa 150 000 Menschen in Krankenhäusern, weil Ärzte Behandlungen abbrechen oder lebenserhaltende Maschinen abstellen. "Übertragen auf die Einwohnerzahl Deutschlands haben wir es mit jährlich etwa 210 000 betroffenen Patienten im eigenen Land zu tun", erläutert DGHS-Vizepräsident Rolf Knoll. Dazu kämen die Sterbefälle in Alten- und Pflegeheimen, die etwa 25 Prozent der Todesfälle ausmachen. Während Frankreich nun den Grauzonenbereich bei der passiven Sterbehilfe erhellt, scheint die Debatte in Deutschland derzeit unter einem "Rollback" zu leiden. Die Tendenz in der veröffentlichten Meinung geht eher in Richtung der Beschneidung des Patientenwillens, der vermeintlich vor sich selbst geschützt werden muss.
Knoll bedauerte, dass auch in Frankreich jede Regelung zur Stärkung des Patientenwillens am Lebensende offenbar als Einfallstor für aktive Strebehilfe diskreditiert werde - ganz unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Papiers. Zwar sei es gerade in Deutschland wichtig, die Ängste und Sorgen vor einem "quasi erzwungenen Sterben" aufgrund von Kosten- oder sozialem Druck ernst zu nehmen. Das dürfe aber nicht bedeuten, dass das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auch auf Ablehnung lebenserhaltender Maßnahmen ausgehebelt werde. Höchstrichterliche Urteile (zuletzt der BGH in seinem Beschluss vom 17.03.2003) haben die Bedeutung der Patientenverfügung wiederholt gestärkt und deutlich gemacht, dass auch der vorweg genommene Patientenwille seine Berechtigung und Gültigkeit hat.