(dgpd Augsburg) Erst am Freitag wird die Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" ihren Zwischenbericht zur Patientenverfügung offiziell übergeben, doch die Verlierer stehen heute schon fest: es sind die Patienten. Sollten die an Entmündigung grenzenden Vorschläge der Enquete Realität werden, sind etliche Menschen am Lebensende künftig zu einer Sterbeverlängerung wider Willen verurteilt. Es drohen neue bürokratische Blüten eines "Patientenwille-Überwachungsstaates" (DGHS-Geschäftsführer Dr. Kurt F. Schobert).
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) fordert die Enquete-Kommission deshalb auf, sich stärker an den Interessen und am Selbstbestimmungsrecht von Bürgern und Patienten zu orientieren. Gute Vorschläge dazu haben u.a. die vom Bundesjustizministerium eingerichtete Arbeitsgruppe "Patientenautonomie am Lebensende" und die Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz vorgelegt.
Gerade im aussichtslosen Komafall, den die meisten Menschen mit Hilfe einer Patientenverfügung für sich ausschließen, zumindest nicht monate- oder gar jahrelang erdulden wollen, soll der schriftlich dokumentierte Wille des Patienten zum Behandlungsabbruch nur bei lebensgefährdenden Komplikationen gelten, also wenn der Tod ohnehin naht. "Diese Einschränkung ist der Versuch, das Rad der Zeit zurückzudrehen," kritisiert DGHS-Vizepräsident Rolf Knoll. Denn nach geltender Rechtslage ist es bereits heute im Rückgriff auf den so gen. "mutmaßlichen Willen" möglich, die künstliche Ernährung mittels Magensonde (PEG) im Komafall abzubrechen. Dazu bedarf es nicht einmal einer schriftlichen Patientenverfügung. Die Empfehlungen der Enquete-Kommission sind verfassungsrechtlich nicht haltbar. Sollten sie übernommen werden, droht ein amtlich verordnetes jahrelanges Dahinsiechen im Dämmerzustand sogar gegen den erklärten Patientenwillen.
Auch die geplante obligatorische "Konsil"-Beratung mit Arzt, Pfleger und Angehörigen ist so nicht nachvollziehbar. In der Regel untersagen Patientenverfügungen eine Weiterbehandlung in bestimmten Fällen. Anstatt die "Konsil"-Beratung sinnvollerweise auf Konfliktfälle zu beschränken, soll diese Instanz nun in jedem Fall über die Umsetzung einer Verfügung entscheiden. Damit ist klar: Nicht der Wille des betroffenen Patienten steht im Vordergrund - dieser ist ja schriftlich dokumentiert! - sondern der Wille, den sich dieses Konzil bildet.
Unzufrieden zeigt sich die DGHS auch mit den Enquete-Empfehlungen beim Stichwort Vormundschaftsgericht: Ein Bevollmächtigter oder Betreuer, der eine lebenserhaltende Maßnahme ablehnt, soll künftig in jedem Fall die Genehmigung durch ein Gericht benötigen. Im BGH-Beschluss vom 17.3.2003 war dies auf Konfliktfälle begrenzt.
Es ist durchaus vernünftig, an geeigneten Stellen die Patientenverfügung gegen Grauzonen abzusichern, etwa durch eine vorgeschriebene Schriftform. "Was aber hier an Hürden eingebaut werden soll, belegt vor allem, dass das grundgesetzlich garantierte Entscheidungsrecht der Patienten, eine Behandlung abzulehnen, komplett aus den Augen verloren wurde", so der DGHS-Vizepräsident.
Ungeachtet begrüßenswerter Minderheitenvoten (z.B. von MdB Michael Kauch u.a.) versucht die Enquete-Kommission, das Grundrecht auf Selbstbestimmung auszuhebeln. Damit stellt sie sich ins Abseits und schadet dem Ansehen der Bundesrepublik als Rechts- und Verfassungsstaat.
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) setzt sich mit zahlreichen Freunden und Förderern für das Recht auf ein wirklich selbstbestimmtes Sterben ein.