Sterben von Staates Gnaden? Die kollektive hysterische Furcht vor der Anerkennung der Autonomie entscheidungsfähiger Bürger im Sterben belegt, wie weit sich „die da oben“ von „denen da unten“ entfernt haben.

(dgpd Augsburg) Was ist los in dieser Republik? Da wird mit Rücksicht auf die persönliche Befindlichkeit einiger Parlamentarier ein guter Gesetzentwurf zur Patientenverfügung zurückgezogen – während die Befindlichkeit und die Wünsche der Bevölkerung seit Jahrzehnten konsequent vom Deutschen Bundestag ignoriert werden. Da debattiert das Parlament den Enquete-Bericht zur Patientenverfügung und will sie – wenn sie denn schon sein muss, weil immer mehr Menschen unabweisbar mehr Rechtssicherheit am Lebensende fordern – mehrheitlich auf jene Krankheitsphasen reduzieren, in denen der Tod ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist und die Ärzte von sich aus auf weitere Maßnahmen verzichten. Da stellt sich ein prominenter Bioethiker hin und zieht allen Ernstes eine fast direkte Verbindungslinie von der Patientenverfügung zu aktiver direkter Sterbehilfe (eine Verknüpfung, die sogar von Bundesärztekammerpräsident Hoppe öffentlich zurückgewiesen wurde). 

Kann es ein beeindruckenderes Beispiel dafür geben, wie weit sich Politiker, Abgeordnete, Bioethik-„Experten“ und selbsternannte „Lebensschützer“ von der Wirklichkeit, vom Alltag und von den Ängsten und Sorgen der bundesdeutschen Bevölkerung schon entfernt haben?

Da wird der Kinofilm „Das Meer in mir“ in 46 Städten in Kinos der Cinemaxx-Kette angekündigt – und dann doch nur in fünf (vorwiegend protestantisch geprägten) Städten tatsächlich gezeigt. Da wird im oskargekrönten Eastwood-Film „Million Dollar Baby“ auf einmal das Thema selbstbestimmtes Sterben entdeckt – und natürlich postwendend kritisiert. Die selbsternannten Sitten- und Moralwächter über das Lebensende brandmarken beide Filme, die von individuellen Schicksalen erzählen, als „unrealistische Propaganda“ und Glorifizierung der Euthanasie. „Lieber tot als querschnittsgelähmt“ wollen die Demagogen offenbar lesen, deren Konzepte für die Selbstbestimmung am Lebensende kaum unter Differenzierungsansätzen leiden. Bei den aktuellen Diskussionen – etwa über die wichtige Frage des Schutzes vor Missbrauch und Fremdbestimmung – bleibt das grundgesetzlich verankerte Recht eines jeden, über die Frage einer ärztlichen Behandlung selbst entscheiden zu können, regelmäßig außen vor. Sterben darfst du, so die Botschaft, wenn der Staat und dein Arzt es dir erlauben. 

Die kollektive hysterische Furcht vor der Anerkennung der Autonomie entscheidungsfähiger und -mündiger Bürger, die über ihr eigenes Leben und Sterben selbst verfügen wollen, treibt wahrlich seltsame Blüten. Ob sie wohl auch begründet ist in der tief greifenden und weit verbreiteten Weigerung, sich nach 1945 mit den furchtbaren NS-Verbrechen in Deutschland auseinander zu setzen?