(dgpd Augsburg und Berlin) Heute begann vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe der mit Spannung erwartete Prozess gegen Wolfgang Putz (59), Münchner Rechtsanwalt für Medizinrecht und Lehrbeauftragter für Recht und Ethik der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Urteil soll am 25. Juni 2010 verkündet werden. In dem Verfahren steht das Urteil des LG Fulda vom 30.04.2009 im Fall Erika K. neu zur Verhandlung. RA Putz war vom Landgericht Fulda wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Nach der Urteilsverkündung des LG Fulda ging Putz mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision vor den Bundesgerichtshof, um einen Freispruch für sich zu erwirken. Die Staatsanwaltschaft legte ebenfalls Revision ein, da sie die Strafzumessung des LG Fulda beanstandete und im Revisionsverfahren eine Erhöhung des Strafmaßes für Putz erwirken wollte. Das Urteil des LG Fulda war vier Monate vor Inkrafttreten des Patientenverfügungsgesetzes gefällt worden.
Die DGHS begrüßt, dass Rechtsanwalt Putz das erstinstanzliche Urteil nicht akzeptierte und erwartet ein Grundsatzurteil zur Sterbehilfe: „Der BGH hat die Möglichkeit, mit dem Putz-Fall eine Weichenstellung zu treffen. Es geht um die notwendige Ausformulierung der bereits heute geltenden Rechtslage zum Behandlungsabbruch durch aktives Tun.“ (Mehr zur Haltung der DGHS und zum Fuldaer Fall auch im Internet unter: www.humanesleben-humanessterben.de, Bereich „Rubriken“/“Im Brennpunkt“ und „Interview“).
Zum BGH-Verfahren erklärt DGHS-Präsidentin Elke Baezner: „Für uns zeichnet sich dieser völlig absurde und bewegende Fall nur als ein Beispiel von vielen ab, das öffentlich macht, wie unbefriedigend die reale Situation der Sterbenden in Deutschland ist. Nach wie vor fehlt es den Beteiligten an aktuellen Informationen, aber auch an rechtlich abgesicherten Handlungs- und Behandlungskonzepten für bestimmte Ausnahmefälle, oder solchen, in denen Zweifel aufkommen, weil z. B. noch kein schriftlich dokumentierter Wille vorliegt oder dieser nicht nach allen rechtlich-medizinischen Maßstäben verfasst wurde.“
Zum Fall: Bei Erika K. hatte die Tochter auf Behandlungsabbruch gedrängt, um ihrer Mutter ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. „Da kein Therapieziel mehr formulierbar war“, so Putz, was auch der Hausarzt der Patientin bestätigte, veranlasste dieser im Dezember 2007 die Einstellung der künstlichen Ernährung. Dieser ärztlichen Anordnung haben sich die Heimbetreiber widersetzt und die künstliche Ernährung fortgesetzt. Putz riet der Tochter Elke G. daraufhin, die Magensonde ihrer seit fünf Jahren im Wachkoma liegenden 76-jährigen Mutter durchzuschneiden.
Er wurde vom Landgericht Fulda wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die gegen Zahlung einer Geldlauflage von 20.000 € zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Hälfte der Geldstrafe sollte an einen Hospizverein in Fulda übergehen. Die Mitangeklagte Elke G. wurde in diesem Verfahren rechtskräftig freigesprochen, weil sie sich lt. Urteil des LG Fulda vom 30.04.2009 angesichts des Rechtsrats durch den Anwalt in einem unvermeidbaren Erlaubnisirrtum befunden und deshalb ohne Schuld gehandelt haben solle. Die Staatsanwaltschaft plädierte in dem damaligen Verfahren für eine dreieinhalb-jährige Haftstrafe, da sowohl den behandelnden Arzt als auch das Pflegeheim erheblich unter Druck gesetzt haben soll. Laut Staatsanwaltschaft hätten Tochter und Anwalt gemeinschaftlich einen Rettungsversuch vereitelt und sich der aktiven Sterbehilfe schuldig gemacht.
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