Schutz vor Fremdbestimmung maßgebliches Anliegen der DGHS

Donauwörther Fall von Patiententötung mit Morphin zeigt: Sterbehilfeverbot verhindert nicht den Missbrauch von Betäubungsmitteln

(dgpd Augsburg) Gegner einer Sterbehilfe-Regelung verweisen gerne auf die Missbrauchsgefahren, die eine Regelung vermeintlich mit sich bringen würde. Doch der Verzicht auf eine umfassende gesetzliche Regelung der Sterbebegleitung und -hilfe (Forderung der DGHS) schützt nicht vor Missbrauch, auch nicht vor Missbrauch von Betäubungsmitteln, wie ein neuer Fall aus der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth zeigt.

Der Fall

Hier soll ein 48-jähriger Arzt einer Patientin ohne medizinische Notwendigkeit Morphium verabreicht haben, wodurch die 82-Jährige innerhalb von 40 Minuten starb. Der Fall liegt drei Jahre zurück, die Ermittlungen hatten sich hingezogen. Am Montag wurde der Arzt laut Medienberichten wegen des Verdachts auf Totschlag verhaftet. Einem Gutachten zufolge soll die verabreichte Morphinmenge nicht nur unangebracht, sondern auch ungewöhnlich groß gewesen sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mediziner die Spritze in Kenntnis der Tatsache setzte, „dass bereits ein kritischer Zustand erreicht war“. In der Krankenakte soll eine Sperre für weitere Schmerzmittel vermerkt gewesen sein. 

Palliativmittel auch Tötungsmittel

Der Fall belegt zunächst, dass, entgegen mancher Behauptungen, sehr wohl mit dem in der Palliativmedizin eingesetzten Morphin getötet werden kann (vgl. auch die DGHS-Presse-Info vom 21.03.2006) – im aktuellen Fall durch das Zusammenwirken des Morphins mit anderen Schmerzmitteln. Das Besondere an diesem Fall ist zudem, dass er nicht durch bloßen Zufall entdeckt wurde, wie manch andere: Die Entnahme des Betäubungsmittels war laut Medienberichten ordnungsgemäß im sog. „Giftbuch“ der Klinik dokumentiert worden.

„Gute“ und „böse“ Sterbehilfe?

Der Unterschied zwischen (legaler, „guter“) aktiver indirekter Sterbehilfe und (verbotener, „böser“) aktiver direkter Sterbehilfe liegt nach überwiegender heutiger Rechtsauffassung lediglich in der Intention des Arztes: Die Gabe von starken Schmerzmitteln ist selbst dann erlaubt, wenn der eventuell frühere Tod des Patienten lediglich „billigend in Kauf genommen“, nicht aber beabsichtigt wird. Der Nachweis einer Tötungs-Intention aber gestaltet sich schwierig – denn welcher Arzt würde sich freiwillig einer Straftat bezichtigen? (Im Donauwörther Fall bestreitet der Arzt, die Spritze überhaupt verabreicht zu haben.)

Werden Grundrechte ausreichend geschützt? 

Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, die Verfassungsrechte der Patienten aktiv zu schützen. Das Hinnehmen und Ignorieren solcher Problemlagen im Bereich Sterbehilfe zeigt aber, dass er dieser Pflicht nicht hinreichend nachkommt. Das Thema steht auch beim Deutschen Juristentag im September 2006 auf dem Programm: Dessen Präsident (und früherer Bundesverfassungsrichter) Paul Kirchhof hält die bisher verwendeten strafrechtlichen Kategorien für unzureichend. Begriffe wie aktive, passive oder indirekte Sterbehilfe seien dem Stand der Medizin nicht mehr angemessen. Ob das Gremium Begrifflichkeiten findet, die nicht nur der euphemistischen Sprachverwendung (z. B. „ärztliche Sterbebegleitung“ statt „Sterbehilfe“ oder „palliative Sedierung“ statt „terminale Sedierung“) entgegenwirken, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht der Patienten verfassungskonform absichern, bleibt abzuwarten. Der Schutz vor fremdbestimmten Tötungen bleibt ein wesentliches Anliegen der DGHS. 

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