Presseerklärung zum Streit über die Empfehlungen der Arbeitsgruppe "Patientenautonomie am Lebensende" in der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin"

Wenn Pressemeldungen zutreffen, wonach eine Mehrheit der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Bundestages die Rechtswirksamkeit einer Patientenverfügung auf den Sterbeprozess beschränken will, muss das als empörende und groteske Einseitigkeit und Missachtung des Selbstbestimmungsrechts von Patienten gesehen werden. Empörend, weil eine Gruppe von politischen Entscheidungsträgern sich anmaßt, ihre für sie selbst zu respektierende Einstellung Betroffenen mit anderer Wertorientierung aufzuzwingen. Grotesk, weil das Recht jeder einzelnen mündigen Bürgerin und jedes einzelnen mündigen Bürgers, medizinische Maßnahmen für sich (mindestens) abzulehnen, rechtlich unbestritten ist. Dieses Recht muss auch über eine Patientenverfügung durchsetzbar sein, die Bürgerinnen und Bürger im Voraus nach sorgfältiger Abwägung und in voller Kenntnis der Konsequenzen für den Fall ihrer Äußerungsunfähigkeit verfasst haben. Diese Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) wird auch von hochinstanzlichen Gerichten sowie von namhaften Rechtsexperten und Ethikern vertreten. Darüber hinaus sollte durch eine Patientenverfügung auch bestimmt werden können, dass positive Therapiewünsche zur Lebenserhaltung unabhängig von Fremdeinschätzungen durch Ärzte und Pflegepersonal Beachtung finden, wenn dies der subjektiven Wertorientierung einer oder eines Betroffenen entspricht. Das gebietet die Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht und der Würde des Menschen. Diesen Forderungen der DGHS entsprechen auch die höchst beachtenswerten Empfehlungen der Arbeitsgruppe "Patientenautonomie am Lebensende" beim Bundesministerium der Justiz. Sie sind u.a. besonders auch deshalb anzuerkennen, weil sie sich ausdrücklich auf die in unserer Gesellschaft bestehenden "unterschiedlichen Wertvorstellungen" beziehen.

Diese Sicht ist gegenüber dem unqualifizierten Gerede über schlimme Gefahren, die mit ihr verbunden sein sollen, nachdrücklich zu unterstützen. Sollte es der autoritär-restriktiven Haltung der besagten Gruppe und gleich Gesinnter gelingen, eine liberale Lösung, wie sie in den genannten Empfehlungen konzipiert ist, zu verhindern, sieht die DGHS allerdings eine Gefahr anderer Art. Wenn die Wirksamkeit einer Patientenverfügung tatsächlich auf den sehr oft qualvollen und als entwürdigend empfundenen Sterbeprozess beschränkt werden sollte, darf man sich nicht wundern, wenn immer mehr Menschen versuchen, sich vorzeitig einer solchen Situation zu entziehen. Die moralische Verantwortung dafür wäre dann den genannten "Sittenwächtern" zuzuschreiben.

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) setzt sich mit zahlreichen Freunden und Förderern für das Recht auf ein wirklich selbstbestimmtes Sterben ein.