Pflegemissstände: DGHS wies früh auf die "nationale Schande" hin

Die DGHS-Zeitschrift prangerte schon 1999 den „anhaltend katastrophalen Pflegemissstände an; Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages erklärte sich für nicht zuständig

(dgpd Augsburg) Seit Jahren verfahren die verantwortlichen Politiker nach dem Motto „nichts sehen, nichts hören, nichts reden“, Nun haben sie es (wieder einmal) amtlich: Jeder Dritte Pflegepatient bekommt nicht genug zu essen und zu trinken, mehr als 35 % der Heimbewohner leiden an Druckgeschwüren, ein Drittel der Demenzkranken wird nicht vernünftig versorgt und selbst für das regelmäßige Wechseln der 3,8 Liter Windeln ist nicht genug Zeit. Im zweiten Bericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bekommt Deutschland erneut bescheinigt: sein Pflegesystem ist in einem beklagenswerten und menschenunwürdigen Zustand, den man wohl als „nationale Schande“ bezeichnen muss, so DGHS-Präsident Karlheinz Wichmann. Unter diesen Umständen dürfe es niemanden verwundern, wenn ältere Senioren sich aus Angst vor solchen Aussichten das Leben nehmen.

Seit Jahren weiß die Politik Bescheid, aber möglicherweise ist sie nicht willens, in diesem von Wohlfahrtsverbänden und kirchlichen Einrichtungen getragenen Bereich durchzugreifen und für transparente Strukturen zu sorgen. Rechtzeitige Hinweise auf Missstände hat es schon früh gegeben: So titelte im Frühjahr 1999 die DGHS Verbandszeitschrift „Humanes Leben – Humanes Sterben“ (HLS): „Anhaltend katastrophaler Pflege-Notstand!“. „Die Rede ist von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland, von Menschenrechtsverletzungen in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Altenheimen und bei der Pflege zu Hause. Es ist bequem geworden, wegzuschauen…“ Und am 26.03.1999 forderte die DGHS: „Weg mit dem Profitdenken bei Alten- und Pflegeheimen!“ (vgl. Infoblatt „Altenpflege“).

Seither folgten etliche Berichte und Stellungnahmen in der Zeitschrift. Die DGHS informiert auch den Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages: Der erklärte sich für Menschenrechtsverletzungen in deutschen Heimen nicht zuständig (DGHS-Presse-Info vom 07.12.2001). Es folgten weitere DGHS-Aktionen und Anschreiben an die Bundestagsabgeordneten, es folgten Petitionen und Podiumsdiskussionen zum Thema, Schreiben an die zuständigen Bundesminister und -ministerinnen und Schreiben an den Generalbundesanwalt. Auch auf internationaler Ebene wurde Deutschland im 2001 vorgelegten Parallelbericht des UN-Komitees für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte für eine „anhaltende menschenunwürdige Behandlung in einer Vielzahl von deutschen Pflegeheimen“ kritisiert.

„Möglicherweise ist das Thema inzwischen eines der best dokumentierten Missstände dieser Gesellschaft“ resümiert DGHS-Präsident Karlheinz Wichmann bitter. Angesichts dieser Verhältnisse brauche sich niemand zu wundern, wenn viele Menschen in Deutschland Angst vor dem Alter und einem hilflosen Dasein in Pflegeheimen haben – und diesem Dasein dann ein selbst gewähltes Ende vorziehen. „Während man entscheidungsfähigen, unheilbar kranken Menschen echte Selbstbestimmung am Lebensende verweigert, liefern man die alten, siechen und kranken Menschen reihenweise einem gnadenlos an Profit und Geldgier orientierten System aus.“ Da gerät alles Gerede von der angeblich zu schützenden Menschenwürde und dem Primat des Lebensschutzes um jeden Preis zur puren Heuchelei.

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