Mitleidstötungen sind keine Sterbehilfe

Wie eine positiv bewertete Eigenschaft zu Fremdbestimmung führt

(dgpd Augsburg) Im Sonthofener Prozess gab der angeklagte Krankenpfleger an, er habe aus Mitleid gehandelt. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft hat der 27-Jährige 14-mal Totschlag begangen und 13-mal Mord. Insgesamt 27 Patienten soll er im Krankenhaus Sonthofen getötet haben, dafür hat der Staatsanwalt eine lebenslange Freiheitsstrafe beantragt. Er habe Schwerstkranke von ihrem Leid erlösen wollen, gab Stephan L. zu seiner Verteidigung an. "Wenn fremdbestimmte Tötungen ohne Einwilligung der betroffenen Patienten als Sterbe-‚Hilfe' diskutiert werden, ist das abwegig", so DGHS-Präsident Karlheinz Wichmann. Denn bei der Sterbehilfe geht es nicht um Mitleidstötungen. 

Bei der Sterbehilfe sollte die Entscheidung des Betroffenen im Mittelpunkt stehen, der seinen Leidensprozess selbstbestimmt abkürzen (lassen) will. Dies kann auch eine vorweg genommene Entscheidung sein, wie zum Beispiel ein Verzicht auf lebensverlängernde und -erhaltende Maßnahmen im Falle einer unheilbaren Krankheit. Eine gesetzlich geregelte aktive direkte Sterbehilfe, die auf ausdrückliches, frei verantwortliches und wiederholtes Verlangen des Patienten erfolgt, hat mit Mitleidstötungen deshalb ebenso wenig zu tun wie eine passive Sterbehilfe, die auf dem Willen des Patienten beruht. 

Immer wieder kommt es zu Patiententötungen, bei denen die Täter angeben, aus "Barmherzigkeit" gehandelt zu haben. Was hier in möglicherweise strafmindernder Absicht vorgebracht wird, klingt aus moralischer Sicht zunächst begrüßenswert, denn Mitleid wird als positive Eigenschaft gewertet. Diese Sicht verschleiert aber, dass hier die Situation eines Patienten aus der Sicht eines anderen bewertet wird: der Mitleid empfindende Beobachter stülpt dem betroffenen Patienten seine Sichtweise über. Das aber ist nichts anderes als Fremdbestimmung: Nicht der Betroffene selbst beurteilt letztlich seine Lebensqualität, sondern ein Außenstehender. Dies lehnt die DGHS ab, ihr geht es um die Selbstbestimmung von Patienten. 

Wer als Täter das Motiv Mitleid überzeugend geltend macht, kann u.U. mit einer milderen Strafe rechnen - ganz unabhängig von der Frage, ob der Patient sterben wollte. Im Falle von Stephan L. war es der Staatsanwalt, der selbst einen Kriterienkatalog erstellt und anhand dieses Kataloges die einzelnen Patiententötungen entweder als "Tötung" oder als "Mord" eingestuft hat. Eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe sollte auch diese Fragen verbindlich klarstellen.

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