Legale begleitete Freitodmöglichkeit wäre auch für Deutschland wünschenswert. DGHS begrüßt Unterstützung für die rechtsstaatlichen Anliegen eines menschenwürdigen Sterbens in Deutschland (anl. bevorstehender Gründung von Dignitas Deutschland)

(dgpd Augsburg) - Die Gründung von DIGNITAS Deutschland bietet Anlass, der Schweiz zu danken: Für die in Aussicht gestellte Unterstützung unseres bald 25-jährigen Einsatzes für die Rechtsfortbildung und das Selbstbestimmungsrecht der Bürger in Deutschland. Eine weitere gesellschaftliche Kraft, die sich im Rahmen der geltenden Bestimmungen des deutschen Rechtsstaats an diesem Engagement beteiligt, ist zu begrüßen. 

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hatte in den 80er Jahren die Gründung der ersten Schweizer Sterbehilfegesellschaft (EXIT) unterstützt. Sie weiß die liberal-tolerante Gesinnung der Schweizer in den Fragen eines humanen und selbstbestimmten Sterbens zu schätzen. Das Schweizer Modell eines begleiteten Suizids in bestimmten Fällen wäre für Deutschland „überfällig“ - so das jüngst verstorbene DGHS-Mitglied Prof. Dr. Peter Glotz. Im Leitantrag des Präsidiums zur letzten Hauptversammlung (2004) hat die DGHS den Gesetzgeber erneut an seine Verpflichtung zu einer umfassenden gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe und -begleitung erinnert. Gelinge dies nicht, sehe sich die DGHS u.U. auch zur forcierten Unterstützung der Anliegen eines humanen Sterbens auf internationaler Ebene veranlasst. 

Es bleibt festzuhalten: Nach der geltenden deutschen Rechtslage ist die konkrete Beihilfe zum Freitod in Deutschland für Schwerstkranke eine janusköpfige Angelegenheit: Sie ist einerseits straffrei – in dem Sinne, dass die Freitodhilfe kein eigenständiges Strafrechtsdelikt ist. Sie kann dennoch strafrechtlich verfolgt werden – mit Blick auf unterlassene Hilfeleistung und Garantenstellung, mit Blick auch auf die Mittel für einen schnellen, schmerzlosen und humanen Tod: Wenige Mittel erscheinen hier geeignet und diese unterliegen entweder den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes oder der Gefahrenstoffverordnung. Dies gilt auch für das in der Schweiz verwendete Sterbe- und Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital.

Anders als der Bundesgerichtshof (BGH) in einem frühen Urteil sieht die DGHS in einer Selbsttötung nicht in jedem Fall einen tragischen Unfall. Es kann Fälle geben, in denen die wohlüberlegte Abkürzung des eigenen Lebens im Falle schwerer Krankheit als Bilanzsuizid zu verstehen ist. Die Ausgangslage ist dabei eine grundsätzlich andere als etwa beim Paniksuizid vor allem jüngerer Menschen, die therapeutische Hilfe benötigen. Die DGHS hat deshalb schon zu Beginn der 80er Jahre eine Freitodverfügung entwickelt. Die Verfügung soll Polizei und Ärzten Hinweise auf die Ausganglage geben, Ermittlungen erleichtern und den Freitod als Ultima Ratio verständlich machen. 

Für unheilbar und entscheidungsfähige Kranke eine Option legalisiert zu öffnen, damit diese ihr Würdeempfinden wahren können und die Ärzte als Verwalter der Betäubungsmittel zu einem menschlicheren Umdenken zu bewegen, ist seit langem Sache der DGHS. Sie begrüßt deshalb ausdrücklich die Absichtserklärungen von Dignitas Deutschland, hier im Sinne der Rechtsfortbildung tätig werden zu wollen. 

Die DGHS setzt sich seit ihrer Gründung für legale Möglichkeiten zu einem menschenwürdigen, humanen Sterben ein, das heißt: Für ein selbstbestimmtes, schmerzfreies und bewusstes Sterben zu Hause wie auch im Kreise von Angehörigen und Freunden. Das gilt es in Deutschland zu verwirklichen. Jeder, der an dieser Zielsetzung mitarbeiten will, ist der DGHS ein willkommener Gesprächspartner.

In den fast 25 Jahren ihres Bestehens hat die DGHS Maßgebliches für mehr Aufklärung und Problembewusstsein in Deutschland geleistet. Sie hat an der Rechtsfortbildung mitgewirkt, z.B. mit Anhörungen und Stellungnahmen unter anderem für das Bundesjustizministerium, verschiedene Enquete-Kommissionen und den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Auch die Entwicklung der „Rechtspolitischen Leitsätze der DGHS zu einer gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe und -begleitung“ und der „Rechtspolitischen Leitsätze der DGHS zu Patientenverfügungen und Sterbehilfe“ gehören dazu, ebenso wie z.B. Gerichtsprozesse (z.B. Fall Hackethal oder Dr. Sigg), die von der DGHS begleitet wurden. Jahrzehntelange intensive Öffentlichkeitsarbeit hat dazu geführt, dass viele Politiker und Ärzte diese Themen nicht länger tabuisieren. Schmerztherapie und Palliativmedizin gehören heute ebenso zu den gängigen Begriffen wie das heute kaum noch bestrittene Recht des Menschen auf einen selbstbestimmten würdigen Tod. 

„Die Erwartungen der Menschen an die neu gegründete Organisation sind hoch“, stellt DGHS-Präsident Wichmann fest. Viele wünschen sich, man möge ihnen ein sicheres und schnell wirkendes tödliches Mittel in die Hand geben, damit sie zu Hause zu einem frei gewählten Zeitpunkt von eigener Hand sterben können. Nicht wenige sind bereit, dafür viel Geld zu bezahlen. Wichmann: „Der Staat sollte durch solide Gesetze verhindern, dass ein Betäubungsmittel-Schwarzmarkt floriert“. 

Dignitas Deutschland will nach eigenen Angaben die derzeit „bestehenden rechtlichen Möglichkeiten“ nutzen. Schon im Vorfeld der Gründung zeichnet sich eine wichtige Funktion des Tochterunternehmens von Dignitas ab, nämlich die des neuen Impulsgebers. Dignitas Deutschland wird auf dem Hintergrund von Dignitas Schweiz verstanden – wo ein liberaler Staat eine Freitodbegleitung ohne selbstsüchtige Motive toleriert. Dieser Bonus weckt Hoffnungen bei vielen Kranken und alten Menschen, die das „Schweizer Modell“ nach Deutschland importieren möchten. Ob und wie dies legal gelingen kann, bleibt abzuwarten.