(dgpd Augsburg) Eine Hospiz-Organisation hat kürzlich die diesbezüglichen Wünsche unzähliger Menschen in Deutschland treffend skizziert. Die große Schauspielerin wollte sich absichern, für den Fall, dass es hart auf hart kommt, dass sie am Lebensende hilflos einen unerträglichen Sterbeprozess erleiden muss. Sie wollte nicht der Willkür anderer ausgeliefert sein, wenn sie selbst nicht mehr in der Lage ist, sich zu äußern oder selbst zu handeln, um ein Sterben notfalls von eigener Hand abkürzen zu können. Inge Meysel hatte in jedem Fall vorgesorgt mit einer Patientenverfügung, die sie auch bei der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hinterlegt hatte.
Nach dem Tod unseres Ehrenmitglieds wird verstärkt in manchen Medien darüber spekuliert, ob sie darüber hinaus von der DGHS Medikamente oder eine "Giftpille" erhalten habe. Die DGHS hält die aktuell von einigen Medien verbreiteten Mutmaßungen über die Sterbeumstände von Frau Meysel für ihrer unwürdig. Um weiteren Spekulationen den Boden zu entziehen, seien die folgenden Klarstellungen veröffentlicht: Die Kritik des Meysel-Betreuers Peter Knuth an Äußerungen von DGHS-Vizepräsident Blessing weist die DGHS als unbegründet zurück. Die Presseinfo vom 12.07.2004 wurde offenbar mutwillig missinterpretiert und es wurden Zwischentöne hinein gelesen, wo keine sind. Nach Meinung der DGHS ist ein Alter von 94 Jahren tatsächlich Indikator für ein "langes" Leben, ihre Erfolge als Schauspielerin darf man u.E. getrost heranziehen, um den Terminus "erfülltes" Leben zu rechtfertigen. Wenn eine große Boulevard-Zeitung schreibt, dass Inge Meysel friedlich eingeschlafen ist und dabei lächelte, hat die DGHS keinen Grund, dies anzuzweifeln. Für die DGHS deutet nach dem veröffentlichten Erkenntnisstand - und über einen anderen verfügt die DGHS nicht - alles auf eine natürliche Todesursache hin. Ein friedliches Sterben ohne qualvollen Sterbeprozess ist durchaus etwas, was man als Glück bezeichnen kann, denn eine Garantie für ein leichtes Sterben gibt es für niemanden. Eine natürliche Sterbeursache war zudem aufgrund des hohen Alters die wahrscheinlichste. Bei weitem nicht jeder, der für Sterbehilfe im engeren Sinne plädiert, stirbt auch von eigener oder fremder Hand.
In den Medien wurde wiederholt etwa von einer "Todespille" oder auch "Pillen" berichtet, die Frau Meysel angeblich besessen und über die sie selbst auch gelegentlich in der Öffentlichkeit gesprochen hat. Falls Inge Meysel irgendwelche suizidgeeigneten Mittel besaß, hat sie diese nicht von oder über die DGHS erhalten. Bekannt war, dass sie im Zweiten Weltkrieg von ihrem Vater eine Zyankali-Kapsel erhalten hatte, um sich einer Verfolgung durch das Nazi-Regime im höchsten Notfall entziehen zu können. Die Kapsel hat sie, wie sie auch in ihrer Biographie schrieb, 1945 in der Toilette entsorgt. Ob sie sich möglicherweise später durch Vermittlung von Einzelpersonen eine neue Zyankali-Kapsel besorgt hat, vermag die DGHS nicht zu beantworten.
Nicht wenige Menschen in Deutschland möchten sich nicht nur mit Willensvorausverfügungen, sondern auch mit konkreten Hilfsmitteln absichern gegen ein - aus ihrer Sicht - unerträgliches und unnötiges Leiden am Lebensende. Sie wünschen sich tatsächlich eine humane "Sterbepille" (es gibt sie nicht!) und zwar weniger, um sie sofort zu nehmen, sondern um über sie als Notmaßnahme und Notausgang verfügen zu können, wenn die Situation wirklich unerträglich wird. Entsprechende Anfragen erhält die DGHS immer wieder. Der Vorstand der DGHS hat seine Positionen zum Suizid und Suizidbeihilfe vor vier Jahren im "Positionspapier zur Suizidprophylaxe" veröffentlicht. Darin lehnt die DGHS Paniksuizide ab und bemüht sich in solchen Fällen um Vermittlung an Hilfs- und Beratungseinrichtungen. Sie verteidigt aber das aus dem Verfassungsrecht abgeleitete Recht des Individuums, einen qualvollen Sterbeprozess von eigener Hand abzukürzen, wenn dieser nicht mehr mit der persönlich empfundenen Würde in Einklang zu bringen ist. DGHS-Mitglieder haben deshalb nach einer festgelegten Wartefrist die Möglichkeit, einschlägige Publikationen bei DGHS-unabhängigen Verlagen zu erhalten. Dass Inge Meysel eine ältere, 1993 eingestellte Broschüre der DGHS besaß, ist sicher. Ob sie sich anhand einer dieser Publikationen mit entsprechenden Medikamenten versorgt hat, entzieht sich unserer Erkenntnis.
Es sei noch einmal daran erinnert, dass Inge Meysel offensichtlich eines natürlichen Todes starb. Wer behauptet, dass ihre Vorsorge für ein humanes Sterben nichts genutzt hat, lässt nur erkennen, dass er den wahren Sinn der Vorsorge nicht begriffen hat. Inge Meysel war in der letzten Zeit vor ihrem Tod an Demenz erkrankt. Weder litt sie an einer unheilbaren tödlichen Krankheit noch wurde verlautbart, sie leide nach eigener Aussage an mangelnder Lebensqualität. Genau dies aber wären nach Angaben einer großen Boulevard-Zeitung jene Voraussetzungen gewesen, um ihr Leben dann tatsächlich zu beenden. Vorsorge für ein humanes Lebensende umfasst weit mehr als eine - immer für eine skandalträchtige Schlagzeile geeignete - "Sterbepille".
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) mit knapp 40.000 Mitgliedern sowie zahlreichen Freunden und Förderern setzt sich für das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben ein.