Gesetzentwurf füllt eine seit langem bestehende Lücke. Stellungnahme der DGHS zur vorgeschlagenen Verankerung der Patientenverfügung im Betreuungsrecht sieht viel Positives, weist aber auch auf offene Fragen hin.

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hat in ihrer Stellungnahme den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums grundsätzlich begrüßt und gleichzeitig auf die Notwendigkeit weiterer Gesetzesänderungen hingewiesen. „Die Einführung der Patientenverfügung als Rechtsinstitut im Betreuungsrecht ist seit langem überfällig. Sie füllt eine beklagenswerte Lücke und kann zur Beseitigung von Rechtsunsicherheiten auch nach dem BGH-Beschluss vom 17. März 2003 beitragen“, bilanziert DGHS-Präsident Karlheinz Wichmann.Der Entwurf eines 3. Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (§§ 1901 und 1904) enthält Verbesserungen insbesondere bei:

  • der Verringerung der Grauzonen im Sterbebereich
  • der Einführung des Rechtsinstituts der Patientenverfügung als einer in der Praxis des Pflege- und Sterbealltags zunehmend genutzten Möglichkeit einer Vorsorge
  • der Stärkung des verfassungsrechtlich verzahnten Selbstbestimmungsrechts von Patienten nicht nur im eigentlichen Sterbeprozess
  • der präzisierenden Klärung der Entscheidungsbefugnisse von Betreuern und Bevollmächtigten sowie bei
  • einer vernünftigen Entlastung der Vormundschaftsgerichte.

Der mündige Bürger braucht keine BevormundungPatientenverfügungen sind für den Arzt bindend, wenn sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde. Dieser auch von der Bundesärztekammer vertretene Grundsatz gilt nach wie vor. Vorgeblich wohlmeinende, aber oft sachunkundige Versuche in der veröffentlichten Meinung, den Patienten vor sich selbst zu schützen, sind unangebracht. Es ist nicht nötig, den mündigen Bürger und Patienten, der für das eigene Lebensende vorsorgen will, durch eine überbordende Bürokratie zu bevormunden. Deshalb begrüßt die DGHS den Verzicht auf eine staatlicherseits verordnete Zwangsberatung ebenso wie den Verzicht auf die routinemäßige Einschaltung eines Ethik-Konsils.

Keine Begrenzung auf den Sterbeprozess
Eine Beschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen auf den Sterbeprozess würde die Verfügung für den potenziellen Patienten weitgehend entwerten. Denn erstens gehen Ärzte zunehmend dazu über, mit begonnenem Sterbeprozess die Behandlung ohnehin von kurativ auf palliativ umzustellen und zweitens würde eine derartige Einschränkung ein Hauptanliegen derjenigen, die in gesunden Tagen eine Patientenverfügung verfassen, verfehlen.

Missbrauchskontrolle durch Vormundschaftsgerichte in Zweifelsfällen
Die vorgesehene Einschaltung des Vormundschaftsgerichts in Konfliktfällen oder bei Verdacht auf Missbrauch ermöglicht die Konzentration der oft überlasteten Gerichte auf wesentliche Aufgaben. Auch die zweiwöchige Wartefrist vor der Umsetzung eines Urteils und die Möglichkeit des Einspruchs von Familienangehörigen dienen der Missbrauchskontrolle Bedenken gegen eine einvernehmliche Entscheidungskompetenz für Betreuer und Arzt ohne Einschaltung von Gerichten teilt die DGHS nicht. „Es gibt keinen Grund, hier die Ärzte quasi unter Generalverdacht zu stellen“, betont Wichmann.

Keine zwingende Schriftform
Die Patientenverfügung soll nach Meinung der DGHS weiterhin formfrei möglich sein. Die zwingende Schriftform würde neue Probleme erzeugen, die den Erfahrungen in vielen Einzelfällen widersprechen. Auch Patienten, die nicht mehr in der Lage sind, ihren Willen aufzuschreiben, müssen die Möglichkeit behalten, ihren Willen durch Gestik oder Verhalten und mündliche Äußerungen zu übermitteln. Dennoch kann nicht oft genug betont werden, dass eine schriftliche und zeitnah aktualisierte Patientenverfügung wünschenswert ist, da sie die Ermittlung des Patientenwillens für alle Beteiligten vereinfacht.

Weiterer Klärungsbedarf zu offenen Fragen
Die DGHS weist in ihrer umfangreichen Stellungnahme auch auf einige offene Fragen im Referentenentwurf hin. Wünschenswert wären z.B. weitere Klarstellungen zur Verfahrensweise in Konfliktfällen zwischen Betreuer/Bevollmächtigtem und Arzt sowie bei widersprüchlichen Anhaltspunkten für den mutmaßlichen Willen und der Bedeutung einer Patientenverfügung in diesem Kontext. Auch bei der Willensermittlung von aktuell schwer Demenzkranken und beim Zeitrahmen für Entscheidungen der Vormundschaftsgerichte wünscht sich die DGHS Präzisierungen.

Flankierende gesetzliche Maßnahmen
Ergänzend regt die DGHS weitere Gesetzesänderungen an. So sind etwa im Bereich Schmerztherapie/Palliativmedizin und diesbezüglicher Ärzteausbildung Verbesserungen nötig. Dazu käme, dass berufstätigen Menschen die Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen ermöglicht werden sollte. Im Strafrecht hält die DGHS eine Änderung von § 323 c StGB („Unterlassene Hilfeleistung“) für wünschenswert sowie eine Ergänzung von § 216 StGB: Das Unterlassen oder der Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen auf Wunsch des Patienten soll nicht rechtswidrig sein, falls dieser Verzicht durch eine Patientenverfügung erklärt wurde.

Den Patientenwillen interpretieren, nicht durch eigene Mutmaßung ersetzen
Mit dem vom Bundesjustizministerium vorgeschlagenen Entwurf ist ein erster wichtiger Schritt im Betreuungsrecht getan. Die DGHS ermuntert zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Patienten auch auf anderen Ebenen, verbunden mit dem Ziel des Schutzes vor Fremdbestimmung, vor Missbrauchsgefahren und vor identitätsbrechenden Übergriffen gerade in den Grenzsituationen des Lebens und am Lebensende. Aufgabe von Ärzten, Betreuern und Gerichten bleibt es, den tatsächlichen bzw. mutmaßlichen subjektiven Willen des Patienten zu interpretieren, nicht aber kraft eigener Mutmaßung, eigener Standesregeln oder eigenen Rechts zu bestimmen.

Stellungnahme hier zum Herunterladen als PDF-Datei (20 Seiten)