Ethischer Nachhilfeunterricht zur <Media "Correctness">?

Augsburger Allgemeine als Beispiel manipulativer Berichterstattung

(dgpd Augsburg) „Gäbe es die faule Zitrone als Preis für manipulative Berichterstattung, die kirchennahe AUGSBURGER ALLGEMEINE hätte gute Chancen, Preisträger zu werden“. So und ähnlich drastisch empören sich Zeitungsleser bei der DGHS. 

Der Hintergrund

Ein DEUTSCHER ETHIKRAT soll als Nachfolger des NATIONALEN ETHIKRATS fungieren. Am Mittwoch hatte das Bundeskabinett einen diesbezüglichen Gesetzentwurf beschlossen. 

Der Anlass

Unter der Überschrift „Tötung auf Verlangen geht dem Weihbischof zu weit. Augsburger gibt ein Sondervotum im Nationalen Ethikrat ab“ beginnt der AZ-Bericht vom 13. Juli mit den Worten:

„Organisationen, die hauptsächlich Menschen bei der Selbsttötung unterstützen – wie etwa die Schweizer ‚Dignitas’ –, wollen drei Mitglieder des Nationalen Ethikrats auf keinen Fall in Deutschland dulden. Die Gesellschaft könne sonst ihren Schutzauftrag gegenüber suizidgefährdeten Menschen nicht mehr erfüllen, argumentieren der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der behinderte Schauspieler Peter Radtke und der Freiburger Ethiker Prof. Eberhard Schockenhoff in ihrem ergänzenden Votum zu der umfangreichen Stellungnahme ‚Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende’, die der Nationale Ethikrat heute in Berlin vorstellt.“ 

Irreführend und unzutreffend wird hier ein Zusammenhang zwischen „Tötung auf Verlangen“, der in der Schweiz und Deutschland grundsätzlich erlaubten Suizidbeihilfe und der Suizidprophylaxe hergestellt. 

Die Fakten

TÖTUNG AUF VERLANGEN ist weder in der Schweiz noch in Deutschland erlaubt. Gemäß § 216 StGB droht eine Strafe mit bis zu fünf Jahren Gefängnis. Lediglich in Belgien und in den Niederlanden wird unter engen gesetzlichen Bestimmungen eine Tötung auf Verlangen (auch als aktive direkte Sterbehilfe bezeichnet) nicht bestraft. 

Davon zu unterscheiden sind SELBSTTÖTUNG (auch als „Suizid“, „Freitod“ oder diskreditierend als „Selbstmord“ bezeichnet) und BEIHILFE ZUR SELBSTTÖTUNG. Sowohl in der Schweiz wie in Deutschland wird die Selbsttötung nicht bestraft. Wird eine Handlung nicht bestraft, so wird nach vernünftiger Rechtslogik auch die Beihilfe dazu nicht bestraft. Gemäß § 115 Schweizer Strafgesetz wird allerdings vorausgesetzt, dass die Hilfe uneigennützig erfolgt.

Juristisch unterscheiden sich Tötung auf Verlangen und Beihilfe zur Selbsttötung dadurch, dass bei der Tötung auf Verlangen die TATHERRSCHAFT bei einer dritten Person liegt, bei der Beihilfe zur Selbsttötung tötet sich die betroffene Person von eigener Hand. ...

Der Wille von Mitgliedern des Nationalen Ethikrats hinsichtlich der Frage, ob Organisationen in Deutschland geduldet werden oder nicht, greift ins Leere. Der Nationale Ethikrat hat hierauf bezogen keine Befugnisse. Die genannte Organisation DIGNITAS ist in der Schweiz tätig, nicht in Deutschland. Die in Deutschland tätige Organisation nennt sich DIGNITATE und wurde in Hannover gegründet. Weder DIGNITAS noch DIGNITATE oder anderen Organisationen ist die Tötung auf Verlangen, auch nicht in Ausnahmefällen, in Deutschland gestattet. Der AUGSBURGER ALLGEMEINEN (AZ) wurde dies mehrmals mitgeteilt; die Berichterstattung verklammert jedoch nachhaltig die beiden zu unterscheidenden Begriffsinhalte. Informationen über die Rechtslage sind kostenfrei im Internet abrufbar.

Innerhalb der Thematik der Suizidprophylaxe, die nach Auffassung der DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR HUMANES STERBEN (DGHS) wichtig und sinnvoll ist, wird in auffälliger Weise nicht differenziert. DGHS-Präsident Wichmann: „Selbstverständlich sollten und müssen wir einer 16-Jährigen, die sich aus Liebeskummer das Leben nehmen will, helfen, damit sie von ihrem Vorhaben ablässt. Hier geht es um BEIHILFE ZUR SUIZIDVERMEIDUNG. Sehr viel anders kann es jedoch aussehen, wenn ein 85-Jähriger nach fünf Krebsoperationen, Bestrahlungen, Chemotherapie und dem Hochwürgen von Kot schlussendlich im Beisein seiner mit ihm über 40 Jahre verheirateten Frau sein Sterben von eigener Hand beenden will. Diese BEIHILFE ZUM FREITOD kann letzte NÄCHSTENLIEBE sein.“

Unter dem Deckmantel der Ethik pauschale Moralisierungen mit im Ergebnis bei vielen Fällen inhumanen Folgen zu veröffentlichen, sieht Wichmann skeptisch. „Ein fairer Umgang mit dem Leser“, so Wichmann, „ist das nicht.“ So kritisiert er, dass im obigen Bericht unerwähnt bleibt, dass es sich auch bei Prof. Schockenhoff um einen Kirchenmann, einen Moraltheologen, handelt. 

Der Kommentar in der AZ wird mit „Unabhängiger Ethikrat“ betitelt. Auch dies ist unzutreffend. Der Nationale Ethikrat war nicht unabhängig, sondern abhängig vom Votum des Bundeskanzlers. Der geplante Deutsche Ethikrat ist nicht unabhängig, sondern gemäß Parteienschlüssel und Fraktionen proporzgesteuert. In Bundesrat und Bundestag herrschen Meinungen, die dem überwältigenden Mehrheitswillen der Bevölkerungen in diesen Fragen krass widersprechen. Diese breit geöffnete Schere zeigte unter anderem Prof. van den Daele auf einer Expertentagung am 24. Januar 2006 in Berlin. Im Tagungsbericht der Friedrich-Ebert-Stiftung wird einleitend behauptet: „Da in einigen unserer Nachbarländer wie z. B. den Niederlanden und der Schweiz aktive Sterbehilfe legalisiert ist …“. In der Schweiz ist aktive (direkte) Sterbehilfe nicht legalisiert. 

Desinformationen dieser Art haben ihre Ursachen in einseitigen Medienberichten. Ergänzend zur POLITICAL CORRECTNESS gibt es in Deutschland eine <MEDIA CORRECTNESS"><media>. Die Meinung des Weihbischofs und des Moraltheologen wird verbreitet, die Argumentation von kompetenten Strafrechtsprofessoren wie Prof. Arzt (*) nicht. </media>

Quellen

(*) Arzt, Gunther: Standesrechtliche Bestimmungen der Ärzteschaft zur Sterbehilfe im Lichte der Grundrechtsordnung. In: Petermann, Frank Th. (Hrsg.): Sterbehilfe. Grundsätzliche und praktische Fragen. Ein interdisziplinärer Diskurs. Referate der Tagung vom 13. Oktober 2005 im Kongresshaus Zürich. St. Gallen 2006, S. 69 - 98 

„Begriffe: Was in Deutschland erlaubt ist, was nicht“. In: www.dghs.de, dort in der Rubrik „Wissenswertes“ 

Hickmann, Christoph: Nachfolger für den Ethikrat. Kabinett beschließt Einrichtung eines neuen Gremiums. SZ 13.07.2006 

Blessing, Karl-Heinz: Brisante politische Großwetterlage. HLS 3/2006, S. 8 - 10, auch in www.humanesleben-humanessterben.de, Rubrik Recht 

Daele, Wolfgang van den: Impulsreferat. „Humane Sterbebegleitung versus aktive Sterbehilfe“. Friedrich-Ebert-Stiftung. Gesprächskreis Sozialpolitik. April 2006. Hrsg. Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung. Abteilung Arbeit und Sozialpolitik. S. 33 ff. 

Kautz, Oliver: Der Gesetzentwurf der Bundesländer ist verfassungswidrig. Soll Beihilfe zum Suizid künftig bestraft werden? HLS 3/2006, S. 13; auch in www.humanesleben-humanessterben.de, Rubrik Recht

Knoller, Alois: Tötung auf Verlangen geht dem Weihbischof zu weit. Augsburger gibt ein Sondervotum im Nationalen Ethikrat ab“. AZ 13.07.2006 

Knoller, Alois: Unabhängiger Ethikrat. AZ 13.07.2006 

Loewy, Erich (Hrsg.): Selbstbestimmtes Sterben. Zeitschrift Aufklärung und Kritik, Sonderheft 11/2006, darin zu schiefer früherer Berichterstattung der Augsburger Allgemeinen und zum Ausgrenzungs-Journalismus S. 99 ff., S. 109 - 111 

Nie, Peter: Flott kompilierte Schrift der Friedrich-Ebert-Stiftung: Humane Sterbehilfe versus aktive Sterbehilfe. In: Humanes Leben – Humanes Sterben (HLS) 3/2006, S. 33 und library.fes.de/library/fr-digbib.html, auch www.humanesleben-humanessterben.de

„Regierung beschließt Gesetz für Deutschen Ethikrat. Neue Auswahlkriterien für die ehrenamtlichen Mitglieder / Kosten trägt der Bund“. FAZ 13.07.2006 

Schobert, Kurt F.: Gesetzgeber im toten Winkel? Geplanter § 217 StGB in der Diskussion. HLS 3/2006, S. 4 - 7, auch in www.humanesleben-humanessterben.de, Rubrik Recht. 

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