(dgpd Augsburg) Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) begrüßt die heute vorgelegte Stellungnahme des Nationalen Ethikrates als gute Kompromisslösung in der aktuellen Diskussion: Den Bedenken angesichts mancher Zweifelsfragen im Umgang mit Patientenverfügungen tragen die Empfehlungen ebenso Rechnung wie dem allgemeinen Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit am Sterbebett und dem Respekt vor der Selbstbestimmung. Der Gesetzgeber soll klarstellen, dass eine Patientenverfügung, mit der eine Person erkennbar und hinreichend konkret eine Festlegung zu einer medizinischen Behandlung getroffen hat, für den Arzt und das Pflegepersonal verbindlich ist. Dies gilt auch dann, wenn der eigentliche Sterbeprozess noch nicht eingesetzt hat, also unabhängig von bestimmten Krankheitsphasen, und es gilt auch für Betreuer: Nicht der vielleicht wohlmeinende Wille von anderen ist maßgeblich seien dies etwa Ärzte, Angehörige, Klinikseelsorger oder Krankenschwestern sondern der Wille des Patienten.
Mit seinen Empfehlungen grenzt sich der Nationale Ethikrat klar von anderen Stellungnahmen ab, die das Prinzip des Lebensschutzes über das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stellen wollten. Selbstverständlich müssen Kontrollen gerade auch für denkbare Zweifelsfälle und Unklarheiten eingebaut werden, betont DGHS-Präsident Karlheinz Wichmann, dies rechtfertigt aber nicht den Versuch mancher Selbstbestimmungsgegner, den Willen des Patienten etwa im Falle einer Magensonde (PEG) zu übergehen.
In den insgesamt 14 Empfehlungen äußert sich der Nationale Ethikrat auch zu Missbrauchsverdacht, zum Umgang mit dem mutmaßlichen Willen und zur Vorgehensweise in Fällen, in denen keine Patientenverfügung vorliegt. Bei Detailfragen wie etwa dem Stellenwert der Beratung oder der Aktualisierung durch neuerliche Unterschrift verzichtet der Ethikrat auf Vorschriften und spricht lieber von Empfehlungen. Bei der Frage der Formvorschrift zeigt er kluge, differenzierende Positionen: Gültigkeitsvoraussetzung ist die Schriftform oder eine vergleichbar verlässliche Dokumentation (z.B. Videoaufnahme). Nicht in dieser nachprüfbaren Weise dokumentierte Äußerungen (also z.B. Aussagen eines Angehörigen über frühere mündliche Äußerungen des Patienten) sollen bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens berücksichtigt werden. Besondere Verfahrensweisen und streng formulierte Anforderungen gelten für die Patientenverfügungen von Demenzkranken.
Neben den Regelungen im Zivilrecht, die auch Kompetenzen von Betreuern und Bevollmächtigten klären sollen, hält der Nationale Ethikrat auch eine Präzisierung im Strafrecht für wünschenswert. Der Ethikrat entspricht damit einer Forderung der DGHS, die eine Klärung der Bedingungen, unter denen ein Behandlungsabbruch straffrei ist, bereits 1997 in ihren Rechtspolitischen Leitsätzen zu einer gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe und -begleitung formuliert hatte.
Auch wenn nicht alle ihre Forderungen aufgegriffen wurden, kann die DGHS mit diesen Empfehlungen des Nationalen Ethikrates gut leben und empfiehlt das Papier zur Pflichtlektüre. Es ist geeignet, Bedenkenträger in ihre Schranken zu weisen, die mit übertriebenen und unangemessenen Hürden das grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Patienten unterlaufen wollen. Dem Gesetzgeber ist zu wünschen, dass er vor allem die verfassungsrechtlich orientierten Argumente in konkrete Gesetze gießt, in eine Form, die verständlich auch für Laien ist. Eine der Hauptaufgaben wird dann die Information und Aufklärung der Akteure am Sterbebett sein.
Die Empfehlungen des Nationalen Ethikrates haben einen großen Pferdefuß: Sie sind eben nur Empfehlungen. Die gesetzliche Verankerung der Patientenverfügung ist durch die vorgezogenen Neuwahlen mehr als fraglich geworden. Die Regierung Schröder wird dieses Projekt bis zur Wahl wohl nicht weiter verfolgen. Und Meinungen aus CDU/CSU legen nahe: Falls überhaupt eine gesetzliche Regelung gewünscht wird, wäre sie eher ein Thema für die lange Bank.