"Eine Wand aus Watte"

Nirgendwo lässt sich die behauptete Freiheit des Einzelnen deutlicher einlösen als in der Politik zum Lebensende, meint der Schriftsteller Dieter Lattmann. Er engagiert sich persönlich und schreibt in der neuen Ausgabe von "Humanes Leben - Humanes Sterben" über seine Erfahrungen.

(dgpd Augsburg) Wer sich mit dem Selbstbestimmungsrecht Sterbender befasst, stößt im politischen Alltag rasch auf eine Wand aus Watte. Zu diesem Schluss kommt der Schriftsteller und frühere Politiker Dieter Lattmann in seinem gleichnamigen Beitrag für die neue Ausgabe der Zeitschrift "Humanes Leben - Humanes Sterben" (HLS 1/2007, S. 18-19).>

Lattmann weiß, wovon er spricht: Von 1972 bis 1980 saß er für die SPD als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Nun engagiert er sich persönlich für eine Anerkennung von Willensentscheidungen am Lebensende, schreibt Politiker und Ethikrat an, um dem Thema Gehör zu verschaffen. Und nun erhält er selbst jene Antwortbriefe von Bundestagsabgeordneten, die wortreich vor allem die Hilflosigkeit des Schreibenden zu kaschieren versuchen. Das frühere Präsidiums-Mitglied des Goethe-Instituts bekennt: "Auch ich habe oft auf Gebieten, in denen ich mich nicht auskannte, mit Hilfe von Ratgebern der Fraktion und Parlamentsunterlagen ähnlich bemühte, im Kern unverbindliche Auskünfte gegeben." 

Auf Argumente, seien sie noch so wissend oder durchdacht, gingen die Antworten, die Lattmann auf seine Initiativen erhielt, meist gar nicht ein. Der Mitbegründer und frühere Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller spricht von einer "Wand aus Watte" im politischen Alltag. In drei von vier Fällen wird er auf die Verbrechen der Nationalsozialisten hingewiesen, aber Lattmann will den "Mord von Staats wegen" nicht mit den Anliegen eines selbstbestimmten Sterbens gleichsetzen: Die eigentlichen Probleme würden verdrängt. So bedeute Behandlung in den Kliniken heute oft nicht die Verlängerung des Lebens, sondern die Verlängerung des Sterbens.

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