Suizidassistenz mit Beratungsschein und Rezept vom Arzt – in dem neuen Gesetzesentwurf, der Elemente aus zwei Texten vereint und heute vorgestellt wurde, sieht das Prozedere auf den ersten Blick nicht ganz einfach aus. Mindestens drei Wochen, aber maximal zwölf Wochen lang würde ein Beratungsschein gelten, damit ein suizidgeeignetes Medikament verschrieben oder der Erwerb bei einer offiziellen Stelle gestattet wäre. Dies sind sicherlich Elemente, die auch weiterhin kritisch zu würdigen sind. „Doch erhöht es die Chancen bei der an-stehenden Abstimmung im Bundestag, wenn nur noch zwei Entwürfe gegeneinander ins Rennen gehen“, urteilt DGHS-Präsident RA Prof. Robert Roßbruch. Grundsätzlich begrüßt er das Ansinnen der Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Renate Künast (B‘90/Die Grünen), Dr. Petra Sitte (Die Linke), Helge Lindh (SPD) u. a., dem Geist des Bundesverfassungsgerichtsurteils (26.02.2020) gerecht zu werden und eine Suizidassistenz ohne Bewertung des zugrundeliegenden Motivs gesetzgeberisch zu flankieren. (In einer früheren Fassung war noch verfassungsrechtlich bedenklich zwischen Krankheit und Lebenssattheit unterschieden worden). Roßbruch: „Nun haben wir eine echte liberale Alternative zu dem restriktiven Ent-wurf eines erneut verfassungswidrigen § 217 Strafgesetzbuch der Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci.“
Nach den Erfahrungen der letzten dreieinhalb Jahre ist nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) eine gesetzliche Regelung der Suizidhilfe zwar nicht zwingend notwendig. Ein eventueller, bisher empirisch nicht belegter Missbrauch lässt sich mit den bereits bestehenden Strafgesetzen ahnden. Transparenz und umfassende Dokumenta-tion der von der DGHS vermittelten Fälle sind bereits jetzt gegeben.
Was für die Menschen wichtig ist, dass sie sich auf einen Notausgang verlassen können. Ob es dafür einer verpflichtenden Beratung bedarf und nicht nur einem freiwilligen Angebot, bezweifelt Roßbruch. Aber er begrüßt, dass in dem überarbeiteten Gesetzentwurf nunmehr von den Beratungsstellen auch ein aufsuchendes Beratungsangebot sicherzustellen ist, wenn das Aufsuchen einer Beratungsstelle durch den Suizidwilligen nicht (mehr) möglich ist. Eine Übergangsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes, bis in den Bundesländern eine ausreichende Anzahl von ergebnisoffenen Beratungsstellen geschaffen sein wird, wertet er als realistisch. Bis dahin dürfte es hoffentlich auch mehr Medizinerinnen und Mediziner geben, die sich der Suizidhilfe öffnen. Robert Roßbruch: „Ich sehe jedenfalls einen großen Bedarf an einschlägigen Weiterbildungsangeboten für Ärztinnen und Ärzte.“
Den Gesetzesentwurf finden Sie z. B. auf der Website von Renate Künast, MdB.