Bei einer Pressekonferenz in Berlin am Dienstag erläuterte RA Prof. Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V., die wachsende Zahl und die Motive bei den von der DGHS im Vorjahr vermittelten Freitodbegleitungen. So waren es im Jahr 2023 insgesamt 419 ärztliche Freitodbegleitungen, die für DGHS-Mitglieder in Deutschland stattfanden. Im Jahr zuvor waren es 229 gewesen, 120 Fälle im Jahr 2021. Die Tendenz ist also ansteigend. Beteiligt in der Betreuung eines jeden Menschen waren jeweils die hauptamtlichen qualifizierten Fallbearbeiter:innen in der Geschäftsstelle sowie nach der Vermittlung die Freitodteams, bestehend aus jeweils einem Jurist/einer Juristin und einem Arzt/einer Ärztin. Angehörige und/oder Vertrauenspersonen waren anwesend, sofern es von den Freitodwilligen gewünscht war.
Im Zweifel wurde ergänzend eine fachärztliche Stellungnahme eingeholt, falls es Zweifel an der Freiverantwortlichkeit des/der betroffenen Sterbewilligen gab. Die Beweggründe teilen sich in fünf große Gruppen: Lebenssattheit, Krebs, Neurologische Erkrankungen, Multiple Erkrankungen und eine Gruppe von diversen Motiven. Nur bei wenigen Personen mit psychiatrischer Vorgeschichte waren die Helfenden im Berichtsjahr 2023 davon überzeugt, dass es sich um eine freiverantwortliche Entscheidung handelt. Im Verlaufe des Verfahrens waren dagegen insgesamt 34 Anträge abgelehnt worden.
Das Lebensalter, in dem eine Freitodbegleitung gewünscht wird, ist durchschnittlich recht hoch. Die größte Gruppe machen die 80-89-Jährigen aus, gefolgt von den 70-79-Jährigen, dann Menschen jenseits der 90.
Roßbruch ging auch auf die beiden Strafprozesse gegen Ärzte ein. In beiden Fällen waren die Ärzte eigeninitiativ und ohne Rücksprache mit einem Verein tätig gewesen. „Die Verfahren beweisen meines Erachtens, dass die bestehenden Strafgesetze ausreichen, um eine Grenze zu ziehen, bis zu der geholfen werden darf“, sagt er bei der Pressekonferenz.
Bei den Erst-Kontakten am ergebnisoffenen Beratungstelefon Schluss.PUNKT seien zwar durchaus viele Anfragende dabei, die eine psychiatrische Diagnose als Beweggrund für einen Freitodwunsch angeben. Roßbruch meinte, „dass sich unser doppeltes Vier-Augen-Prinzip im nunmehr vierten Jahr, in dem wir uns mit der Suizidhilfe-Vermittlung befassen, bewährt hat.“
Roßbruch wiederholte seine vor dem Hintergrund eines Bundesverwaltungsgerichtsurteils zum Suizid-Medikament Natrium-Pentobarbital geäußerte Forderung: „Noch sagt das Betäubungsmittelgesetz, dass ein Mittel nur zu therapeutischen Zwecken verordnet werden darf. Da hinkt das Gesetz der gelebten Wirklichkeit hinterher. Eine Verordnung zum Zwecke der Selbsttötung muss den Ärztinnen und Ärzten bald ermöglicht werden.“