(dgpd Augsburg) Nicht dass die Krankenschwester vor dem Regensburger Landgericht leugnet, Patienten mit Morphin-Überdosen umgebracht zu haben, ist überraschend (vgl. Bericht Der Todesengel leugnet, Augsburger Allgemeine 21.03.2006), sondern dass auch in diesen Fällen des Straubinger Elisabeth-Klinikums die Berichterstattung der Medien erneut einen offenkundigen Gesamtzusammenhang grundsätzlich verdrängt:
Schmerzmittel für aktive indirekte und aktive direkte Sterbehilfe im Gebrauch
Ein 58-jähriger Mann, der massive Atembeschwerden hatte, starb nach der Gabe des starken Schmerzmittels innerhalb von wenigen Minuten, so das Augsburger Blatt. In einem weiteren Todesfall versucht die Staatsanwaltschaft zu beweisen, dass eine zusätzliche Spritzenpumpe mit Morphin, die das lindernde Mittel gleichmäßig über Stunden abgeben sollte, den Exitus des Patienten verursacht habe.
Diese und andere frühere Gerichtsfälle belegen, dass mit starken Schmerzmitteln getötet werden kann. Unabhängig von der Schuldfrage im Straubinger Fall gilt: Morphine oder andere starke Schmerzmittel wie beispielsweise opioidhaltige Schmerzpflaster eröffnen der Palliativmedizin und Schmerztherapie hervorragende Möglichkeiten der Leidenslinderung, stehen aber einer Giftspritze oder einem Todescocktail in nichts nach, wenn sie Verwendung für die Tötung oder gar Ermordung von Menschen haben sollen.
Im Gegenteil: Die Hemmschwellen im Falle einer Tötungs- oder Mord-Absicht sind geringer als bei Giftspritzen, weil es glaubwürdiger ist, wenn behauptet wird, das Schmerzmittel sei vom Arzt oder anderem Klinikpersonal oder Pflegern lediglich zur Schmerzlinderung verabreicht worden.
In den nicht selten einseitigen Darlegungen von Ärzte-, Hospiz-Funktionären und Politikern, die sich für eine Ausweitung der Schmerztherapie und Palliativmedizin einsetzen und in diesbezüglichen Medienberichten wird dieser Gesamtzusammenhang verdrängt, sogar geleugnet. Dieser Gesamtzusammenhang besagt, dass Schmerzmittel nicht nur für die indirekte Sterbehilfe (juristisch korrekt: indirekte aktive Sterbehilfe) Verwendung finden, sondern auch für die direkte Sterbehilfe (juristisch korrekt: direkte aktive Sterbehilfe; vgl. u. a. Laufs/Uhlenbruck: Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. München 2002, S. 1.379 f.).
Die Absicht lässt sich kaum beweisen
Welche Absicht im konkreten Einzelfall Ärzte, Krankenschwestern oder Pflegekräfte hatten, lässt sich meist schwer nachweisen. Die Grauzonen sind erheblich, die Tendenz zu tabuisieren ebenfalls. So wie es früher Richtlinien der Bundesärztekammer für die Sterbehilfe gab (vgl. Narr/Rehborn: Arzt, Patient, Krankenhaus. Beck-Rechtsberater im dtv, 2. Aufl. 1991, S. 213 ff.) und beschönigend heute von Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung gesprochen wird (vgl. Wiesing, Urban, Hrsg.: Ethik in der Medizin. Stuttgart 2000, S. 203 ff.), bekämpfen viele Befürworter des Hospizgedankens einseitig die aktive Sterbehilfe, obwohl in Hospizen und auch in Kliniken mit kirchlicher Trägerschaft die indirekte aktive Sterbehilfe üblich, in vielen Fällen sogar Voraussetzung für einen Sterbeprozess in Würde ist.
Vertrauen ist gut Kontrolle wäre besser
Flächendeckende, unangemeldete Kontrollen, wie starke Schmerzmittel in ambulanten und stationären Hospizen Verwendung finden, gibt es nicht. Grauzonen sind damit Tür und Tor geöffnet. Die terminale Sedierung, beschönigend inzwischen als palliative Sedierung bezeichnet, schließt nicht aus, dass mit dieser Therapie auch eine LIZENZ ZUM TÖTEN verbunden ist.
Schmerzpflaster in der Grauzone
Dass sich sogar Schmerzpflaster zur aktiven Sterbehilfe (ob indirekt oder direkt) und zur Selbsttötung bzw. Beihilfe hierzu verwenden lassen, belegt ein aktueller Artikel der Apotheken Umschau. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde untersucht 120 Todesfälle im Zusammenhang mit fentanylhaltigen Schmerzpflastern. Fentanyl dämpft, so die Ursachenforschung, wie andere Opioide das Atemzentrum im Gehirn (Apotheken Umschau 03/2006); da der höchste Blutspiegel erst nach 14 bis 17 Stunden erreicht wird und die Wirkung, genetisch bedingt, um den Faktor zehn schwanken kann (Apotheken Umschau 03/2006, S. 42 f., Bericht Weltmeister im Kleben), eignen sich diese Schmerzpflaster durchaus zum verdeckten Suizid oder für eine aktive direkte Sterbehilfe. Gezielt verwendet, können sie nachts einen Atemstillstand hervorrufen. Potentielle Täter müssen also aufgrund der verzögerten Wirkung nicht einmal in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Patienten sein.
<HOSPIZID>: Hospize erlauben aktive Sterbehilfe
Die schiefe Ebene (Slippery Slope) der Berichterstattung in Deutschland zeigt sich beispielsweise mit der Medien-Überschrift Uni-Krankenhaus von Lausanne erlaubt aktive Sterbehilfe (DIE WELT, 20.12.2005). Juristisch und inhaltlich ist diese Meldung schlichtweg falsch. Wie die DGHS in Erfahrung brachte, wird unter sehr restriktiven Vorgaben allenfalls eine Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt.
Korrekt wäre hingegen die Meldung: Hospize erlauben in Deutschland aktive Sterbehilfe; denn zumindest die indirekte (aktive) Sterbehilfe ist eine Form der aktiven Sterbehilfe. Innerhalb der Political und <MEDIA CORRECTNESS> (= von der herrschenden Politik & Medienmeinung als richtig eingestufte Gesinnung) werden Meldungen dieser Art in Deutschland jedoch unterdrückt. Dieses Unterdrückungs-System macht seit langem Schule, gilt es doch, einen Konfrontationskurs gegen die aktive Sterbehilfe zu zelebrieren, damit die meist kirchlich orientierten Hospizbewegungen in Deutschland moralische und finanzielle Unterstützung erfahren (eine gewissermaßen <ECCLESIASTICAL CORRECTNESS> (= von der Kirchenpolitik als richtig eingestufte Gesinnung). Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Wolfgang Zeidler, bezeichnete bereits im vergangenen Jahrhundert das Verbot der Tötung auf Verlangen als eine Insel der Inhumanität als Folge kirchlichen Einflusses auf unsere Rechtsordnung (HUMANES LEBEN HUMANES STERBEN 1/1986, S. 1).
Dabei kann, wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, die Perfidie der sprachlichen Tabuisierungen in der bundesdeutschen Medienlandschaft, kaum größer sein. Denn terminale Sedierung wird definiert als die Verabreichung von Medikamenten, um den Patienten bis zu seinem Tod in eine Bewusstseinslosigkeit oder in Koma zu versetzen, ohne dabei eine künstliche Ernährung vorzunehmen, wie dies Professor Henk Jochemsen erläuterte (vgl. DIE HOSPIZ-ZEITSCHRIFT 22, Jhg.6, 2004, S. 12).
Das Papstwort zur terminalen Sedierung
Das Zentrum für Medizinische Ethik (Universität Bochum) erläuterte in Heft 77 der Medizinethischen Materialien den Hintergrund:
So hat Papst Pius XII. am 9.9.1948 in seiner Ansprache Über die Psychopharmakologie und ihre sittlichen Normen an den Kongress des Collegium Internationale Neuro-Psycho-Pharmalogicum in Rom u. a. ausgeführt: Was die Betäubungsmittel betrifft, kann man dieselben Grundsätze auf ihre schmerzlindernde Wirkung anwenden. Und wenig später: Wenn keine religiöse oder moralische Verpflichtung entgegensteht und ernste Gründe vorhanden sind, sie zu benützen, darf man sie sogar den Sterbenden verabreichen, wenn sie einwilligen. Die Euthanasie, d. h. der Wille, den Tod herbeizuführen, ist offenkundig von der Moral verworfen. Wenn aber der Sterbende zustimmt, ist es erlaubt, mit Mäßigung Betäubungsmittel zu gebrauchen, die seine Schmerzen lindern, aber auch den Tod rascher herbeiführen. (Uhlenbruck, Wilhelm: Selbstbestimmung im Vorfeld des Sterbens rechtliche und medizinische Aspekte, 1992, S. 12; Fettdruck hier zur Verdeutlichung).
Kultur des Todes?
War, so könnten also Prozessberichte fragen, der angebliche Todesengel von Straubing und diese Mutter von zwei Kindern, die auf 30 Jahre Erfahrung als Krankenschwester zurückblickt, eine Gesandte des Papstes?
Hinweis: Die DGHS veranstaltet am 8. April 2006 in Köln ein Symposium zum Thema Terminale Sedierung: Die Wunderwaffe für ein humanes Sterben? (14 bis 17 Uhr, Residenz am Dom, An den Dominikanern 6). Interessierte Medien(vertreter) sind herzlich eingeladen.