Das am Wochenende bekannt gewordene Schreiben von Staatssekretär Lutz Stroppe vom Bundesgesundheitsministerium vom 29.06.2018 an den Präsidenten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), in dem dieser angewiesen wird, den vorliegenden Anträgen auf Erwerb einer todbringenden Dosis von Betäubungsmitteln nicht zu entsprechen, ist klarerweise rechtswidrig. Mit diesem Schreiben ignoriert das Gesundheitsministerium die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2017. Gemäß § 121 Verwaltungsgerichtsordnung ist die Exekutive einschließlich des Gesundheitsministeriums an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden.
Die derzeit 108 Personen, die aufgrund des Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2017 einen begründeten Antrag auf Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Nat-rium-Pentobarbital gestellt haben, haben bisher keine adäquate Antwort erhalten. Das gilt u. a. für die sieben Antragsteller/innen, die von der DGHS unterstützt werden und von denen bereits zwei Antragstellerinnen verstorben sind. Diese offensichtliche Verzögerungstaktik auf dem Rücken schwerstkranker Menschen ist inhuman. Offensichtlich stellt der Minister seine eigenen Wertüberzeugungen über das auch ihn bindende höchstrichterliche Urteil.
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e. V. erwartet von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein klares Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht. „Als Minister ist er dem Grundgesetz verpflichtet. Artikel 2 betont das Persönlichkeitsrecht, und deshalb muss das auch im Blick auf Schwerstkranke und Sterbende gelten“, betont DGHS-Präsident Professor Dr. Dr. h. c. Dieter Birnbacher. Nach Art. 2 Absatz 1 des Grundgesetzes hat jeder das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Birnbacher: „Dazu gehört auch das Recht, über Zeitpunkt und Umstände seines Todes selbst zu bestimmen. Aus dem Recht auf Leben darf keine Pflicht zum Leben abgeleitet werden. Weltanschauungen sind kein Maßstab für staatliche Gesetze.“ Immerhin gehöre es zum Kerngehalt des Grundgesetzes, das in Art. 2 die Freiheit des Einzelnen feststellt, seine Lebensführung nach eigenen Vorstellungen zu bestimmen, solange diese nicht in die Rechte anderer eingreift. Da die anderen kein Recht haben, ein Verhalten nur deshalb mit Strafe zu bedrohen, weil sie es für anstößig oder unmoralisch halten, gilt das Selbstbestimmungsrecht ganz unabhängig davon, in welche Richtung sich die gesellschaftlichen Werte entwickeln.
Nicht akzeptabel bleibt für die DGHS zudem das Weiterbestehen des § 217 StGB (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung), der Suizidhilfe unter Strafe stellt, sofern sie wiederholt geschieht.
Die DGHS fordert bereits seit Jahren in ihrem Grundsatzprogramm (Auszug), dass Ärzte, die unter Beachtung von Sorgfaltskriterien Beihilfe zur Selbsttötung leisten, nicht mit Strafe bedroht oder diskriminiert werden. Die DGHS fordert außerdem u. a. eine Anpassung des Betäubungsmittelrechts, die es Ärzten ermöglicht, ggf. zur Selbsttötung geeignete Medikamente mit sicherer Wirkungsweise zu verschreiben.
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