(dgpd Augsburg) Die im Herbst letzten Jahres in die Schlagzeilen geratene Ärztin aus Langenhagen ist wegen Verdacht auf Totschlag bzw. illegale Sterbehilfe verhaftet worden. In Gutachten wird der früheren Mitarbeiterin der Paracelsus-Kliniken vorgeworfen, in einigen Fällen auf die Behandlung verzichtet und stattdessen unangebracht hohe Morphindosen (Schmerztherapie) verabreicht zu haben, an denen Patienten gestorben sind.
Der Fall zeigt die schweren Defizite bei der aktuellen Sterbehilfe-Praxis in Deutschland. Demnach unterliegen weder die indirekte aktive Sterbehilfe noch die passive Sterbehilfe oder die "terminale Sedierung" einer vernünftigen Kontrolle: Im Ergebnis werden Menschen durch Behandlungsverzicht und hohe Schmerzmittelgaben zu Tode gebracht, ohne dass mit hinreichender Zuverlässigkeit nachgewiesen wäre, dass die Patienten die Sterbehilfe tatsächlich in Anspruch nehmen wollten.
"Der Abstand zwischen illegalen Tötungen und rechtmäßiger Sterbehilfe beträgt genau eine Haaresbreite" kritisiert DGHS-Präsident Karlheinz Wichmann. Die DGHS fordert deshalb eine umfassende gesetzliche Regelung der Sterbehilfe und -begleitung. Die These, dass in Deutschland mit einem bloßen - begrüßenswerten - Ausbau der Schmerztherapie und Palliativmedizin alles getan sei, erweist sich als ebenso haltlos wie die Annahme, der Verzicht auf eine gesetzliche Regelung verhindere Missbrauchsgefahren. Die Aussage des Medizinethikers Prof. Dr. Dieter Birnbacher bewahrheitet sich auch für die indirekte aktive Sterbehilfe: "Selbstverständlich sind Missbräuche auch bei der passiven Sterbehilfe zu befürchten - sogar noch eher als bei der aktiven [direkten], da sie nicht nur viel häufiger praktiziert wird, sondern auch viel eher unentdeckt bleibt und der Ausführende im allgemeinen eine niedrigere Hemmschwelle zu überwinden hat".
Die gleichen Argumente aber, mit denen die niederländische Regelung kritisiert wird, müssen auch auf die Situation in Deutschland angewendet werden: Eine Kontrolle der Fälle von Sterbehilfe findet in den Niederlanden erst im Nachhinein statt - mithin also, wenn es für den Patienten zu spät ist, hieß es. Tatsächlich wird auch in Deutschland tagtäglich Sterbehilfe geleistet, die - wenn überhaupt - erst nach Vollzug kontrolliert wird. Die Handlungen der Ärztin aus Hannover wurden jedenfalls nur durch puren Zufall entdeckt, weil eine Krankenkasse die Abrechnungen überprüfte.
Ein Arzt (oder auch Pfleger), der nicht Schmerzen bekämpfen sondern töten will, wird dies mit wenig Aufwand i.d.R. verschleiern können. Die DGHS fordert alle Mediziner und Ärzteverbände auf, anlässlich des aktuellen Falles eine öffentliche Diskussion über die Praxis der Sterbehilfe zu führen, über Kriterien, Möglichkeiten, Grenzen und Grauzonen.
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) mit knapp 40 000 Mitgliedern sowie zahlreichen Freunden und Förderern setzt sich für das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben ein ... damit das Leben bis zuletzt human bleibt.