<link file:1525 download file>PDF_Pressemitteilung zum Buch "Selbstbestimmung im Sterben - Fürsorge zum Leben"
Der Medizinethiker Prof. Urban Wiesing, Universität Tübingen, der Palliativmediziner Prof. Gian Domenico Borasio, Universität Lausanne, der Medizinethiker Dr. Ralf Jox, Ethikinstitut der LMU München und der Jurist und Stellvertretenden Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Prof. Jochen Taupitz, Universität Heidelberg, stellten am 26.08.14 in München einen Gesetzesvorschlag zur Regelung des assistierten Suizids vor. Zugleich wollen sie damit wissenschaftlich fundiert zur Versachlichung der aktuellen Diskussion über die Sterbehilfe beitragen.
Die Verfasser wollen die Beihilfe zur Selbsttötung zwar unter Strafe stellen, jedoch mit zwei Ausnahmen. Angehörige und dem Betroffenen nahestehende Personen sollen nicht strafbar sein, "wenn sie einem freiverantwortlich handelnden Volljährigen Beihilfe leisten" sowie Ärzte. Diese sollen unter Einhaltung strenger Sorgfaltspflichten einem unheilbar Kranken mit begrenzter Lebenserwartung beim Suizid helfen dürfen, wenn sie den Betroffenen zuvor "umfassend und lebensorientiert über seinen Zustand (…) sowie über andere - insbesondere palliativmedizinische - Möglichkeiten aufgeklärt haben." Der Arzt muss der Überzeugung sein, dass der Patient freiwillig handelt, er muss einen anderen, unabhängigen Arzt zu Rate ziehen und zwischen Aufklärungsgespräch und der Beihilfe sollen mindestens zehn Tage verstreichen.
Mit ihrer Initiative stellen sich die Verfasser den Reformplänen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) deutlich entgegen, der ein ausnahmsloses Verbot von organisierter Sterbehilfe vorsieht. Befürworter eines Verbotes ist auch Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery.
Jurist Jochen Taupitz: "Wir wollen, dass Menschen, die für sich selbst keinen anderen Ausweg als die Selbsttötung sehen, in einem vertrauensvollen Gespräch mit ihrem Arzt Alternativen aufgezeigt bekommen, letztlich aber auch von ihm in den Tod begleitet werden dürfen. Zugleich soll unser Vorschlag möglichem Missbrauch entgegenwirken und endlich Rechtssicherheit herstellen."
Die Hilfe zum Suizid ist in Deutschland straffrei. Umstrittene Vereine wie "Sterbehilfe Deutschland" oder Sterbehilfe durch medizinische Laien sind nicht verboten. Vor Allem das Arztrecht stiftet aber Verwirrung: Die Bundesärztekammer verbietet zwar die Beihilfe zum Suizid, dieses Verbot wurde jedoch nur von zehn von 17 Landesärztekammern übernommen. "Es kann nicht sein, dass ein Arzt in Stuttgart beim Suizid helfen darf, in Köln aber nicht", so die berechtigte Kritik.
Immerhin 37 Prozent der Ärzte in Deutschland können sich vorstellen, einem Kranken beim Suizid zu helfen. Und einer Forsa-Umfrage zufolge wollen 70 Prozent der Deutschen im Falle einer tödlichen Erkrankung die Möglichkeit haben, dass ein Arzt ihnen beim Suizid hilft.
Der Ethiker Ralf Jox legt den Finger in die Wunde: "Beihilfe zur Selbsttötung wird praktiziert, aber meist im Geheimen, ohne Regeln und Kontrollen." Ein bloßes Verbot werde diese Situation nur verschärfen und den Sterbetourismus verstärken.
Den Autoren geht es vor Allem darum, gewerbliche Organisationen zu verbieten – denn, " Aufgabe des Parlaments ist es nicht, den frei verantwortlichen Suizid als solchen zu bewerten.“ Der Staat muss aber seiner Verantwortung gerecht werden und sinnvolle und transparente Regeln in einer sich ändernden Gesellschaft vorgeben. Sie fordern eine „Aufklärungspflicht der Ärzte“ und deren fachliche Qualifikation dazu. Sterbehilfe darf nicht gegen die Palliativmedizin ausgespielt werden: „Es darf kein „Entweder-Oder“ geben“. Und dazu zählt der beschleunigte Ausbau der Palliativmedizin auch in Deutschland.
Die Autoren lehnen ihren Vorschlag an das Modell im US-Bundesstaat Oregon an, in dem die Suizidbeihilfe seit 17 Jahren gesetzlich geregelt ist. Einer aktuellen Auswertung in "The Lancet" zufolge ist die Gesamtzahl assistierter Suizide dort über alle Jahre, anders als befürchtet, konstant niedrig geblieben. Gleichzeitig wurde jedoch die palliativ medizinische Versorgung deutlich verbessert. 30 Prozent der Menschen, die das Gift von ihrem Arzt verschrieben bekamen, nahmen es gar nicht. Sie erhielten sich damit bis zum letzten Moment die Freiheit, über ihr eigenes Leben zu entscheiden. Das war ihnen wichtig."
Gegen körperliche Schmerzen gibt es wirkungsvolle Medikamente. Gegen die Angst vor dem Tod helfen vielleicht Gespräche. Die letzte Lebenszeit aber nicht mehr eigenverantwortlich gestalten zu können, ist für manchen Todkranken so unerträglich, dass er dennoch seinem Leben selbst ein vorzeitiges Ende setzen möchte. Der Wunsch nach Suizidbeihilfe ist der Wunsch, im allerschlimmsten Fall immer noch selbst bestimmen zu können. Dabei braucht er unter Umständen Hilfe und die sollte von einer Person des Vertrauens und fachlich qualifiziert gewährt werden können.
Den Anstieg der Sterbehilfe in der Schweiz führen die Autoren vor allem auf den wachsenden Sterbetourismus aus Ländern mit restriktiven Regelungen zurück.
Der Gesetzesvorschlag und seine Begründung sind in Buchform im W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart unter dem Titel erschienen: Selbstbestimmung im Sterben – Fürsorge zum Leben ISBN 978-3-17-028481-4 ab September im Buchhandel für 14,99 € oder als E-Book ab sofort für 12,99 €
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